Die Verwaltungsmodernisierung – Eine Polemik
Als Peter Maffay über die „Sieben Brücken“ gesungen hat, über die man gehen müsse, hat er sicherlich die deutsche Verwaltung gemeint.
In Berlin haben gerade am Wochenende ambitionierte Menschen eine Wette abgeschlossen, dass man in diesem Jahr noch einfach so ins Bürgeramt spazieren werden könne, ohne einen Termin zu haben. Toll. Aber wieso ist denn das so erstrebenswert? Ich weiß nicht, was man daran innovativ finden soll, oder was hier Berlins Staatssekretärin für Verwaltungsmodernisierung denkt, für die Bürger:innen Besonderes zu leisten.
Wenn die Verwaltungsmodernisierung nicht auf die Idee kommt, zu digitalisieren, wer denn dann?
Das OZG im Halteverbot
Warum regt mich das auf? Weil ich selbst gerade eine Geschichte zum Aufregen erlebe und mich das in Deutschland im Jahr 2025 unglaublich müde macht. Das Jahr, in dem wir doch alle eigentlich längst auf Elektro-Jetpacks umherfliegen sollten. Oder zumindest hätten seit 3 Jahren schon Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale angeboten werden sollen und diese sollten miteinander zu einem Portalverbund verknüpft sein. Haha. Leider nein – das OZG, das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen, ist leider bislang noch nicht in ganz Deutschland angekommen. Ein Beispiel:
Da ich demnächst umziehen möchte, brauche ich vor meinen Haustüren (ja, Plural – für kurze Zeit bin ich quasi fast schon ein Immobilienhai) eine Halteverbotszone, damit da nicht breitbeinige SUVs oder schlanke Pappschachteln meinem Umzugs-LKW den Platz rauben. Ich möchte ja nicht unnötig weit mit den Kartons und Brettern laufen müssen, wenn ich schon selbst schleppen will. Was tut man also? Man nutzt zur Recherche das Internet, um an die richtige Kontaktadresse zu kommen, bei der man diese Dienstleistung in Anspruch nehmen und buchen möchte. Tatsächlich ist das in Karlsruhe gar nicht so problematisch – einfach die Servicenummer 115 wählen, eine Genehmigung im Gespräch mit einem Servicemitarbeiter (ein echter Mensch, männlich, nett) beantragen, dann eine E-Mail erhalten mit einem super secret Passwort und damit zum Tiefbauamt telefonieren, dort sein (super secret) Passwort durchgeben und einen Termin zur Schilderabholung vereinbaren. Fertig. Hat 7 Minuten gedauert, weil ich 3 Minuten freiwillig in der Warteschleife der 8-Bit Musik gelauscht habe (Wind Of Change).
Das ist jetzt zwar keine komplett digitale Lösung für alle Bürger:innen, man muss ja schon noch zweimal telefonieren, aber immerhin.
Kennt ihr Kafka?
Die Gegend, in die ich ziehen werde, ist da noch nicht so weit. Die haben zwar schon Telefon, soweit ich weiß, aber eine Servicenummer stand mir nicht zur Verfügung. Vielmehr kann man die Informationen aus dem Internet verwenden, dass man sich mit einer E-Mail an die zuständige Stelle im ortsansässigen Rathaus wenden soll.
Ah, klar. Kein Problem. Also eine kurze E-Mail aufgesetzt.
„Hallo, ich möchte umziehen, blabla, Halteverbotszone, blabla, Datum, wo und wann und wie und was?“
Eine Antwort kommt dann auch relativ zeitnah mit der Info, dass man sich an eine andere Stelle wenden soll. Während im Internet die Auskunft erteilt wird, man solle sich an die Ansprechperson der Stadt wenden, wird man von der Ansprechperson der Stadt an den Landkreis verwiesen. Muss auch ein lustiger Job sein, den ganzen Tag dazusitzen und auf Anfragen zu warten, die man dann nicht weiterleitet, sondern mit einer Weiterleitung beantwortet. Hoffentlich ist der nicht bald durch eine KI ersetzt worden, toitoitoi. Also dann an den Landkreis schreiben. „Hallo, ich möchte umziehen, blabla, Halteverbotszone, blabla, Datum, wo und wann und wie und was?“
Man erhält auch hier relativ zügig eine Antwort inklusive eines Antrags, den man ausgefüllt zurückschicken soll. Dies ist der „Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Inanspruchnahme von öffentlichem Verkehrsgrund gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 8 StVO“. So schön wie er klingt, sieht er gar nicht aus, aber eigentlich ist dies auch der Antrag, den man braucht, wenn man ein Straßenfest organisiert oder archäologische Ausgrabungen auf dem Kreisel vor der Haustür plant. Glücklicherweise gibt es dort auch ein Feld, auf dem man „Umzug“ eintragen kann. Antrag ausgefüllt, notwendigen Liegenschaftsplan beigefügt und abgeschickt (elektronisch ! ).
Dann hört man erst einmal nichts mehr. Nur die Stille der gähnenden Leere und die Verwaltungsmühlen, die in der Distanz leise knirschen.
Kennt ihr Kafka? Teil II
Nach einer Woche schreibe ich die neue Ansprechperson noch einmal an und erfrage, ob der Antrag eingegangen ist, da ja keine Bestätigung erfolgte. Und tatsächlich, der Antrag sei angekommen und könne so bearbeitet werden, aber die Schilder müsse man beim Bauhof selbst abholen.
Na, immerhin, dachte ich mir. Beim Bauhof schon einmal anrufen und nachfragen. Dieser sagt, man verleihe keine Schilder, man solle sich bei einem „Schilderverleihservice“ melden.
Ach was? Na gut.
Bei welchem Schilderverleihservice muss ich mich denn melden? Kann man mir da vielleicht unter die Arme greifen?
Nein, man darf keine Werbung machen.
Nein, natürlich nicht. Verzeihung.
Aber er könne mir den Bauhof in der Stadt empfehlen, wenn der Bauhof des Landkreises das nicht macht.
OK, dann fragt man doch da mal nach. Aha, nein.
Dort verleiht man an Privatpersonen keine Schilder.
Klar, warum auch.
Dann also doch einem privaten Anbieter die Nase vergolden und dort „einfach und bequem“ online alles regeln.
Ach, so. Dafür braucht man eine Genehmigung. Mal fragen, was damit eigentlich in der Zwischenzeit passiert ist.
Oh, die Sachbearbeiterin ist gerade im Urlaub. Ja, das ist natürlich doof. Wann wird denn mit der Genehmigung zu rechnen sein? Aha, in 10 Tagen. Soso. Dann hat das ja insgesamt nur knapp mehr als drei Wochen gedauert, Wahnsinn. Hoffentlich kann der private Verleihservice dann innerhalb von ein paar Tagen auch die Schilder liefern, ne? Sonst hab ich mit der Vorlaufzeit von 7 Wochen einfach nicht früh genug mit der Planung angefangen.
Man gut, dass ich in die Gegend ziehe. Da kann ich direkt mal persönlich mit anpacken und auch Verwaltungsmodernisierungsminister in der Stadt werden. Es reicht dann ja erst mal, wenn die Leute keinen Termin haben und einfach so vorbeikommen. Alles Weitere sehen wir dann.