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Viele verbinden Behördengänge mit langen Wartezeiten, unübersichtlichen Formularen und der Suche nach der richtigen Ansprechperson. Wahrscheinlich hat sich der ein oder andere schon länger gewünscht, sich diesen langwierigen Prozessen nicht mehr unterziehen zu müssen. Schließlich kann man mit Papier so viele andere Dinge anstellen, Flugobjekte basteln, zum Beispiel. Mal im Ernst, es könnte so einfach sein. Und es ist möglich. Karsten Packmohr ist bei virtual7 als Consultant für die Bundesagentur für Arbeit (BA) tätig. Er gibt einen kleinen Einblick in seinen Job und zeigt, wie Digitalisierung genau diesen Wunsch Realität werden lässt. Zumindest ein Stück.

AN WELCHEM PROJEKT ARBEITEST DU ZURZEIT?

Aktuell befinde ich mich in einem Linienteam. Das Projekt, in dem ich seit 2016 tätig war, wurde 2019 beendet und jetzt betreuen wir einen Teil der im Projekt entwickelten Module. Ich habe unter anderem die erste Version des Postfach-Services mitgestaltet. Dieser bietet Kunden der BA die Möglichkeit, Nachrichten aus dem Onlineportal direkt an ihr Service Center zu senden. Außerdem haben wir  ein weiteres Modul entwickelt, das es dem Kunden ermöglicht, Bescheide und Nachweise von der BA online zugestellt zu bekommen. Zwischen Bescheiden und Nachweisen muss deutlich unterschieden werden. Bescheide sind Verwaltungsakte, also rechtsverbindlich. Diese werden aktuell online nur als Kopie mit Wasserzeichen bereitgestellt.

Aufgrund der momentanen Rechtslage ist es noch nicht möglich, diese voll verbindlich online zuzustellen. Nachweise sind keine Verwaltungsakte und nicht rechtsverbindlich, diese werden als Originale zugestellt. Es wird also kein Papier mehr verschickt. Dazu muss man jedoch sagen, dass noch nicht alle Dokumente als Onlineversion verfügbar sind. Das ist jedoch bei Weitem noch nicht alles, was wir tun. Zurzeit betreuen wir im Team die online Antragsstrecken für  Kurzarbeitergeld und Berufsausbildungsbeihilfe. Ein weiteres Modul, das wir während des Projekts aufgebaut haben, ist die Leistungsanzeige.

Dies ermöglicht es dem Kunden, sich anzeigen zu lassen, was die BA in bestimmten Kontexten wie Arbeitslosengeld oder Berufsausbildungsbeihilfen in einem bestimmten Zeitraum ausgezahlt hat.

WAS KANNST DU BESONDERS GUT? WAS MOTIVIERT DICH AN DEINER ARBEIT BEI VIRTUAL7 AM MEISTEN?

Was ich besonders gut kann, ist Sachverhalte erkennen, verstehen und dementsprechend zielorientiert auf eine Lösung für ein Problem hinarbeiten.

Dabei motiviert mich zum einen die Zusammenarbeit im Team, in den unterschiedlichsten Disziplinen. Zum anderen ist es ein gutes Gefühl, tolle „Produkte“ auf die Beine zu stellen und zu sehen, dass man am Ende tatsächlich etwas für die Kunden erreicht hat. Die Gewissheit, dass Kunden etliche Bescheide über die Applikation erhalten, die man mitentwickelt hat, motiviert enorm.

WIR GESTALTEN DIE DIGITALE ZUKUNFT DEUTSCHLANDS, WELCHE BEDEUTUNG HAT DAS FÜR DICH?

Das bedeutet auf jeden Fall, dass wir die Prozesse, die momentan mit Stift und Papier von den Menschen zu Hause oder in den Agenturen ausgefüllt werden, deutlich vereinfachen. Das Ausfüllen eines solchen Antrags kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Papieranträge sind teilweise sehr schwierig zu verstehen. Im Zuge der Digitalisierung bedeutet das, dass die Möglichkeit besteht, fast alle Formulare als Onlineformular erhalten zu können. Die bisher nötig gewesenen Zwischenschritte, die letztlich zum Ausfüllen und Bearbeiten eines Antrags führen, fallen dadurch weg. Das ist meiner Meinung nach ein Prozess, der analog sehr umständlich ist. Online kann man sein Anliegen einfach schneller loswerden und kann sich das Ausfüllen eines Antrags durch entsprechende Hilfetexte deutlich vereinfachen.

WAS IST DAS WICHTIGSTE AN DIGITALISIERUNG?

Das Wichtigste an Digitalisierung ist, dass die angebotenen Dienstleistungen für die Menschen einfacher und erreichbarer werden. Das geht mit dem Onlinezugangsgesetz einher, das besagt, dass vieles online verfügbar gemacht werden muss. Die Digitalisierung ist allein deshalb wirklich wichtig. Zudem kann man einen Onlineantrag, falls nötig, leichter anpassen. Dadurch ist es nicht nötig, in jedem deutschen Jobcenter einen komplett neustrukturierten Antrag für jeden neu auszudrucken und die Mitarbeiter neu zu schulen. Bei einem Onlineantrag kann so etwas viel schneller und leichter angepasst werden.

WAS SIND DEINE HOFFNUNGEN BEZÜGLICH DIGITALISIERUNG? WO SIEHST DU DEUTSCHLAND IN 10 JAHREN?

Meine Hoffnung ist, dass in zehn Jahren viele Prozesse digitalisiert wurden. Die Frage, die sich dann aber stellt, ist, wie gut diese digitalisiert und integriert sind. Auf Bundesebene wird zurzeit versucht, einheitliche Standards zu schaffen, damit unterschiedliche Prozesse besser ineinandergreifen.
Die Hoffnung ist also, dass die unterschiedlichen Systeme in zehn Jahren soweit ausgearbeitet sind, dass die Prozesse reibungslos laufen können.

"Man kann nicht einfach beschließen, alles zu digitalisieren, und damit eine bestimmte Gruppe ausgrenzen."

KANNST DU ES NACHVOLLZIEHEN, DASS ES MENSCHEN GIBT, DIE DIGITALISIERUNG KRITISCH SEHEN?

Digitalisierung ist eine Gewohnheitssache. Ich bin damit aufgewachsen. Es gibt jedoch Menschen, denen ist die Digitalisierung fremd. Daher kann ich verstehen, dass einige lieber face to face mit jemandem reden. Wenn man beispielsweise die letzten 40 Jahre Behördengänge persönlich gemacht hat und auf den persönlichen Kontakt besteht, kann ich das vollkommen nachvollziehen.

WIE IST DEINE MEINUNG ZUM EINSATZ VON KI IM VERWALTUNGSAPPARAT?

Die menschliche Komponente wird auch während Digitalisierungsprozessen weiterhin gebraucht. Klar, es wird an Chatbots und KI gearbeitet, die falls Fragen aufkommen sollten, diese beantworten sollen. Aber es gibt immer Grenzen. Es kommt vor, dass die Fragen sehr spezifisch sind oder man die Ausführungen des Chatbots nicht versteht. In solchen Fällen wird trotzdem jemand manuell eingreifen müssen. Die Anträge müssen trotzdem bearbeitet werden. Die Gesetzgebung darf man in diesem Zusammenhang nicht vergessen. Darf ein Automat entscheiden: Bekommst du Arbeitslosengeld? Ja / Nein? Oder muss ein Mensch drüber schauen. Natürlich wird KI früher oder später auch ein Bestandteil des Ganzen sein, vorausgesetzt sie kann effektiv eingesetzt werden. Das wird meiner Einschätzung nach noch eine Weile dauern.

WAS SAGST DU ZUM THEMA KI MADE IN GERMANY?

Das sollte man auf jeden Fall weiterverfolgen. Wenn wir selbst eine KI-basierte Software entwickeln oder mit unserem Wissensstand international gesehen mithalten können, dann ist das für uns als Standort Deutschland vorteilhaft. Ansonsten werden wir irgendwann einfach abgehängt. Vor allem, weil andere Länder einfach deutlich größer sind, egal ob Indien, China oder die USA, sie haben einfach deutlich mehr Möglichkeiten, weil die Manpower, die ihnen zur Verfügung steht, im Vergleich deutlich größer ist.

GIBT ES ETWAS WAS DU ZU DIGITALISIERUNG GENERELL GERNE LOSWERDEN MÖCHTEST?

Ich finde Digitalisierung ist eine gute Sache, weil ich persönlich es nicht leiden kann, Papieranträge per Hand auszufüllen und diese per Post zu verschicken. Dementsprechend freue ich mich über jeden Prozess, der digitalisiert wird. Die Möglichkeit, von zu Hause Formulare zu beantragen, indem ich auf ein paar Knöpfe drücke, ist super. Die Zeit, die man aufwenden muss, um persönlich Behördengänge zu absolvieren, kann meiner Meinung nach anderweitig sinnvoll genutzt werden. Digitalisierung macht das Leben leichter, wenn man sie denn annimmt.