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Es gibt kein schlimmeres Gefühl, als mitten im Traum vom Wecker geweckt zu werden. Am liebsten würde man das Ding gegen die Wand feuern, wenn es sich dabei nicht um das geliebte Smartphone handeln würde. Besitzt heute noch irgendjemand einen klassischen Wecker? Und genau da wären wir schon beim Punkt. Selbst der Wecker ist heutzutage nichts weiter als eine Voreinstellung unseres Telefons, warum gibt es immer noch so viele Bereiche des öffentlichen Lebens, die nicht digitalisiert wurden?

Nico Rimmele versteht sich selbst als Wecker der Nation. Als leidenschaftlicher Snooze-Drücker versteht er es durchaus, wieso Deutschland gerne noch etwas weiterschlafen würde, versucht aber durch seine Arbeit bei virtual7, Behörden und Kunden das Potenzial, das Digitalisierung mit sich bringt, näherzubringen und Deutschland endlich aufzuwecken.

WAS GENAU IST DEINE AUFGABE BEI VIRTUAL7?

Momentan bin ich in Hamburg beim Kunden ITZ Bund, also dem Information und Technologie Dienstleister von sämtlichen Behörden in Deutschland. Was wir machen, ist im Endeffekt die ganzen Zolldaten, heißt alles, was rein und rauskommt, in Datenbanken zu erfassen und auf diese Quelldatenbanken zuzugreifen. Dort werden die Daten angereichert mit sonstigen Informationen. Mein Part darin ist dann drei Java Anwendungen zu schreiben, die Steuer- und Zolldaten erfassen. Diese werden von Anwendern genutzt, also beim Zoll oder bei der Steuer, um zu recherchieren, was wurde von wem eingeführt und  von welcher Firma versendet. Insgesamt können Fälle durch unsere Arbeit schneller bearbeitet werden und werden dadurch gleichzeitig sicherer.

WIE HILFT DEINE ARBEIT DEN ZOLL- ODER STEUERBEHÖRDEN DIGITALER ZU WERDEN?

Als ich angefangen habe und aktuell sind das sehr alte Anwendungen, mit denen in diesen Bereich gearbeitet wird. Wir sind jetzt dabei, diese  komplett neu zu schreiben. Schnell wurde klar, dass da ein neues Programm hermusste. Daraufhin hab ich die internen Entwickler überzeugt, die Teamleitung überzeugt, jetzt sind wir insgesamt seit etwas mehr als einem Jahr an der Neuentwicklung dran. Grob gesagt handelt es sich dabei um Anwendungen zur Auswertung von Daten.

Es gibt insgesamt  drei Anwendungen: ein Ausfalltool, dass nur verwendet werden soll, wenn die anderen nicht verfügbar sind. Ein Tool für den Zoll, man kann damit zum Beispiel Kriminalitätsprüfungen durchführen. Und ein weiteres ist für den Bereich Steuern gedacht, da stehen Vorgänge wie Steuerprüfung im Vordergrund. Das sind im Prinzip Recherchetools, aber der Zoll sucht natürlich nach anderen Daten wie die Steuerbehörde, daher braucht man jeweils eine eigene Anwendung.

WAS MACHT DIR AM MEISTEN SPASS AN DIESEM PROJEKT?

Für mich persönlich ist es die Architekturgestaltung. Es ist einfach cool, die Chance zu haben, das alles neu zu gestalten. Ich lege Wert darauf, dass alles leicht erweiterbar ist. Das ist in Bezug auf den Kunden wichtig für mich. Wenn wir die ganzen Vorteile gegenüber den Altanwendungen umsetzen konnten, das bedeutet, wenn die Prozesse schneller ablaufen und einfach gewartet werden können, kann ich beruhigt aus diesem Projekt rausgehen. Wenn der Punkt kommt, an dem ich aus dem Projekt rausgehe, zurück gucken kann und sagen kann: Da bin ich damals gestartet, jetzt kann der Kunde damit viel besser entwickeln, steht durch unsere Arbeit vielleicht viel besser, da, weiß ich, dass wir gute Arbeit gemacht haben. Dann weiß ich auch, dass ich etwas  hinterlasse, worauf der Kunde, wenn es nötig ist aufbauen kann. Im besten Fall habe ich den Kunden und sein Wissen über neue Technologien und Architekturen verbessert.

WAS MOTIVIERT DICH? WORIN BIST DU BESONDERS GUT?

Was ich gut kann, ist diplomatisch mit den Kunden, aber generell mit Menschen zu reden. Ich behaupte von mir, dass ich gut an die Leute rankomme. Kunden zu überzeugen, dass ihre Technologien und Prozesse einfach zu alt sind, kann manchmal eine Herausforderung sein. Je mehr Zeit ich mir nehme, umso besser klappt’s dann aber. Es ist mir einfach wichtig, nicht emotional und vorschnell  zu entscheiden, sondern mir Gedanken zu machen, wie ich sie wachrütteln und überzeugen kann. Nur so haben wir alle was davon.

IST DEUTSCHLAND AUF DEM WEG ZUR DIGITALISIERUNG EINGESCHLAFEN?

Der Weg zur Digitalisierung fängt meiner Meinung nach gerade erst an. Wir sind aber noch kein aktiver Teil davon. Fahr mal mit dem Zug oder auf der Autobahn und schau wie dein Handyempfang ist. Fahr mal durch die Schweiz, wo du teilweise durch Berge und Täler fährst, Österreich, Frankreich, du hast immer Empfang. Thema Netzabdeckung, Breitbandanschlüsse das ist in Deutschland einfach nicht der Rede wert. Anderen europäischen Ländern sind wir zwar wirtschaftlich weit voraus, wenn es aber um Digitalisierung geht, eindeutig nicht. Auf den Behörden sind sie meisten Prozesse veraltet, die Menschen dort arbeiten mit alten Programmen. Es ist einfach mal an der Zeit, einen Schritt weiter zu gehen, aber viele hängen in der Vergangenheit. Genau hier wäre der Punkt sie wachzurütteln und zu sagen: „Hey, du machst damit deine Aufgabe besser, schneller, leichter.“ Ich versuche mit meiner Arbeit zu helfen, sie einen Schritt weiterzubringen. Aber im Moment sehe ich nicht wirklich, dass Deutschland in einer Vorreiterrolle sein könnte.

WAS KÖNNTEN DENN DIE GRÜNDE DAFÜR SEIN, DASS UNS ANDERE EUROPÄISCHE LÄNDER ÜBERHOLT HABEN?

Die Deutschen lieben Stift und Papier. Und Sicherheit ist  immer ein wichtiger Aspekt. Es ist einfach wichtig zu zeigen, dass trotz Digitalisierung die Sicherheit gewährleisten sein kann. Thema Datenschutz ist ja in Deutschland viel stärker im Fokus. Auf der einen Seite bremst das zwar einiges aus, auf der anderen Seite ist es gut, dass in Deutschland so viel Wert daraufgelegt wird. Man muss es nur irgendwie schaffen, den Menschen beizubringen, dass das eine das andere nicht ausschließt. Wir können digitaler und schneller werden, ohne den Datenschutz hinten runterfallen zu lassen. Die Wahrnehmung von Digitalisierung ist eine falsche. Man muss einfach an der Kommunikation arbeiten, was dieses Thema angeht.

WIR GESTALTEN DIE DIGITALE ZUKUNFT DEUTSCHLANDS WAS BEDEUTET DAS FÜR DICH?

Das ist eine gute Vision, wir müssen uns nach vorne durchkämpfen, um aktiv an der Gestaltung teilnehmen zu können. Wir haben die Möglichkeit zu überzeugen und Augen zu öffnen, um zu zeigen, wie optimiert werden kann. Deutschland brauch eine digitale Zukunft und wir können definitiv einen Beitrag dazu leisten. Und das ist super.

WAS IST DAS WICHTIGSTE AN DIGITALISIERUNG?

Ich verstehe, dass manche glauben, Papier sei sicherer. Man hat das Gefühl, wenn man jemandem sein ausgefülltes Formular in die Hand drückt, dass nur er die  Daten sehen kann. Die Realität sieht aber anders aus. Teilweise werden die Formulare natürlich bei Behörden eingescannt und an fünf andere Stellen weitergeleitet. Vorsicht ist natürlich besser als Nachsicht. Ich würde in Facebook nicht reinschreiben, dass ich grade acht Wochen nicht zu Hause bin, aber Behördenprozesse kann man meiner Meinung nach nicht auf eine Ebene mit Sozialen Medien stellen. Ich wäre so froh, wenn ich nicht auf die Behörde rennen müsste und da mit zig anderen auf meinen Termin warten müsste. Teilweise verstehe ich diesen Gegenwind nicht. Digitalisierung nimmt dir viel Arbeit und Zeit ab, macht alles bequemer.

WENN DU EINE SACHE IN BEZUG AUF DIGITALISIERUNG VERÄNDERN KÖNNTEST, WAS WÄRE DAS?

Viel scheitert eigentlich, wie gesagt daran, dass wir keine gescheite Internetverbindung und keine Netzabdeckung haben. Bestes Beispiel durch Corona sind viele Menschen im Homeoffice und viele haben da schon Probleme. Wenn ich beim Kunden von zu Hause aus auf seinen Desktop zugreifen und arbeiten will, wird klar, dass entweder bei ihm oder bei mir die Internetverbindung super langsam ist. Bei Dienstreisen zum Beispiel, wenn wir mit der Bahn unterwegs sind, will man was arbeiten und die Internetverbindung ist weg. Du musst immer schauen, dass du offline was machen kannst. Und da würde es für mich anfangen, dass allen eine Internetverbindung zur Verfügung gestellt wird und eine deutschlandweite Netzabdeckung gewährleistet werden kann.

HAST DU DIE HOFFNUNG, DASS DAS IN DEN NÄCHSTEN JAHREN REALISIERT WERDEN KANN?

Ich habe natürlich noch die Hoffnung. Ich glaube durch die 5G Entwicklung und die Rechtevergabe des Netzes kann mehr passieren. Die meisten Anbieter haben das Problem auf jeden Fall erkannt. In der Politik wird man die vergangenen Fehler hoffentlich nicht nochmal machen. In der Vergangenheit waren die Kosten für die Rechtevergabe einfach viel zu hoch und dadurch nicht so lukrativ, das Netz auszubauen, wie es in anderen Ländern der Fall ist. Ich bin davon überzeugt, dass die nächsten Generationen von Politikern, die sein werden, die mit diesen Dingen aufgewachsen sind. Nicht mehr die, für die das Telefon das Ding ist, das an der Schnur hängt.

ÜBER DEN KÜNSTLER
MARIO TURIAUX

„Soweit wie ich mich erinnern kann, ist das Zeichnen und Malen schon immer eine meiner liebsten Beschäftigungen gewesen. Bereits während der Schul- und Studienzeit habe ich erste Aufträge umgesetzt und seit dem Abschluss des Studiums bin ich offiziell als Grafik Designer und Illustrator selbstständig unterwegs.

Was vor einer gefühlten Ewigkeit mit Bleistift, Papier und Tusche begann und zu unzähligen Flyern, Postern und Plattencovern geführt hat, ist heute fast vollständig digital. Mit dem Wechsel zum digitalen Arbeiten am iPad hat sich auch die Arbeitsweise geändert. Was ich aber immer zum Zeichnen brauche, ist gute Musik und starker Kaffee, oder umgekehrt.

Grundsätzlich betrachte ich mich nicht unbedingt als Künstler, der seine handwerklichen Qualitäten einsetzt, um Karriere zu machen. Hinter all der Motivation, bunte Bilder auf Papier zum Leben zu erwecken, steckt eigentlich der DIY-Ethos. Diese Freiheit und der Individualismus ist ein Hauptbestandteil all meines Tuns und sicherlich geprägt von der Ästhetik und dem Lifestyle der 70er Jahre in Kalifornien, den 80er-Jahre-Filmen, Punk Rock und dem Skateboarding.

Bei meinen Arbeiten steht oftmals ein großer Detailreichtum im Vorder- bzw. eigentlich eher im Bildhintergrund, der mich teilweise so sehr ans digitale Zeichenbrett fesselt, dass ich mich in den Themen verlieren kann und oftmals selber bremsen muss, um nicht 6 Stunden an den Blättern einer Palme zu malen.

Man trifft mich meistens im Raum Aachen an, wo ich mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern lebe. In der Nähe einer Tischtennisplatte fühl ich mich unter Freunden genauso wohl wie auf Konzerten oder Flohmärkten. Ohne Trucker Cap bin ich nackt.“

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